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Brief von Dr. P. Lambrecht an den Oberstadtdirektor von Herford

Bielefeld, 9. Mai 1949
Abschrift (PDF)
 

Vorbemerkung
Am 3.5.1949 wurde erstmals ein Heilverbot über Bruno Gröning verhängt: In einer schriftlichen Anordnung machte ihm der Oberstadtdirektor von Herford, Fritz Meister, einen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz vom 17.2.1939 zum Vorwurf. In der Folge gingen vermehrt Protestschreiben von Bürgern bei den Kommunalbehörden ein.

Hinweis
Die Schreibweise wurde an die Richtlinien der aktuellen Rechtschreibung angepasst.


Dr. P. Lambrecht, Bielefeld, 9. Mai 1949

Herrn
Oberstadtdirektor
Herford

Es ist nicht verwunderlich, dass die Ärzteschaft gegen ein Phänomen Sturm läuft. Es geht manches über den Horizont exakter Wissenschaftler weit hinaus. Das war zu allen Zeiten so und in der jüngst vergangenen erst recht: Denken Sie bitte an Robert Koch, an Behring, an Schleich, an Röntgen. Wie lief da die gesamte Ärzteschaft an und blamierte sich wie je! Wäre Christus heute da, so würde man ihm sein Handeln ebenso verbieten, wie vor 2.000 Jahren, man würde von ihm verlangen, seine Befähigung als Heilpraktiker unter Beweis zu stellen! Die Ärzte sind also dieselben geblieben und haben nichts gelernt. Wenn sie doch wenigstens an Shakespeare dächten: „Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio, von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen lässt!“

Es ist nur wieder der Konkurrenzneid, weiter nichts oder der Beweis, dass mit dem Geist mehr erreicht wird, als mit dem ärztlichen Ungeist. Und das ist die Angst, die erbärmliche Angst, ein geistig hochstehender Mann könne auch ohne Universitätsbildung etwas schaffen.

Sie haben den Beweis selbst in der Hand. Fällt der Mann überhaupt unter die sogenannten Heilpraktiker-Verordnungen? Ich glaube, es bezweifeln können. Warum haben Sie, im demokratischen Staat, nicht den Mut, gegen solche engstirnigen Bestimmungen Stellung zu nehmen und einem etwas zu erlauben, was der Allgemeinheit zugutekommt? Verbieten lässt sich dann etwas, wenn Schaden angerichtet wird. Warum lässt man den Mann nicht im Beisein eines Amtsarztes arbeiten?

Sollte nicht das Wohl und das Begehren der an sich schon geplagten Menschheit wichtiger sein als das Vorurteil eines Standes, der nicht immer beweisen konnte, etwas zu können?

Es gäbe noch viele Einwände berechtigter Natur und es würden sich sehr viele freuen, wenn die geistige Freiheit sich anfangen würde, durchzusetzen. Oder sind wir immer noch, wie vor zweitausend Jahren, von Kasten abhängig, die das eigene Wohl dem des Volkes voranstellen?

Mit vorzüglicher Hochachtung

Lambrecht
[Unterschrift]


Quelle:
Archiv Bruno Gröning Stiftung

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