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Erinnerung an Bruno Gröning

Hermann Riedinger, Karlsruhe, undatiert
Abschrift (PDF)

Im Haus eines befreundeten Architekten erlebten wir erstmalig Bruno Gröning. Später fanden in der Folge die Vorträge Grönings in meiner Wohnung statt, und es wuchs nach und nach eine Gemeinschaft in Karlsruhe heran, die schließlich mehr als in halbes Hundert Menschen zählte. Über sieben Jahre hinweg fanden seine Vorträge dann immer bei uns statt.

Heute, nachdem mehr als 20 Jahre seit dieser ersten Begegnung verflossen sind, stehe ich nicht an, zu bekennen, dass ich dem Schicksal dankbar dafür bin, dass dieser Mann in mein und meiner Frau Leben getreten ist.

Wir haben beide durch das Erleben Bruno Grönings, seine Lehre und seine Wirkung, das, was in uns schon lebte, in vielem bestätigt gefunden, und es ist uns der Inhalt der Lehre der großen Religionsstifter und auch der Inhalt der Evangelien und deren Berichte über die Heilung auf geistigem Weg noch verständlicher geworden. Es war uns aber auch sofort klar, dass das Wirken Bruno Grönings gar nichts zu tun hatte mit der Tätigkeit eines Arztes oder Heilpraktikers. Er war vielmehr einer der segensreichen Lehrer der Menschen, der ganz ohne Zweifel die Mission hatte, die zur Zerstreuung und Spaltung und zur „organisierten Gedankenlosigkeit“ neigenden Menschen unserer Zeit wieder zur Sammlung, zur Einkehr, zur Suche nach dem eigenen Lebensgeheimnis, kurz, nach dem Harmonischen, Göttlichen, hinzulenken und damit auch Harmonie in den körperlichen Funktionen herbeizuführen.

Das Wesen der Wirkung Bruno Grönings war also im Religiösen im weitesten Sinn begründet, und hier lag auch der Schlüssel zu Erfolg oder Misserfolg aus einer Begegnung mit ihm. Menschen nämlich, die seelisch verhärtet waren, deren „Sinn zu, deren Herz tot war“, konnten die Kraft dieses Mannes kaum verspüren. Sie standen dem Problem Gröning hilflos und vielfach sogar negativ gegenüber, weil ihnen eben die Instrumente und Maßstäbe fehlten. Ich selbst bin Diplomingenieur und als solcher von Berufs wegen kritisch und an wissenschaftliches Denken und Arbeiten gewöhnt. Ich habe mich über Jahrzehnte hinweg ernstlich mit Fragen der Heilkunde befasst und über meine tausendfältigen Beobachtungen und Erfahrungen an das Wort des Altmeisters Goethe zu glauben gelernt, dass es „das größte Glück des denkenden Menschen sei, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche gläubig zu verehren“. In den vielen Jahren unseres Bekanntseins mit Bruno Gröning haben wir dann auch so viel des Unerforschten und vielleicht auch Unerforschlichen und so Wundersames erlebt, dass wir, wie ich schon sagte, dem Schicksal dankbar sind, dass wir diesen Mann erleben durften.

Und aus solchem Erleben heraus, das mit uns noch Tausende von Menschen hatten, kam es, dass, wie die Presse schrieb, „kultivierte Aristokraten und einfache Hilfsarbeiter, führende Politiker und alte Frauen“ diesem außerordentlichen Menschen anhingen. Es war also durchaus nicht so, dass es sich, wie die Gazetten weiterhin schrieben, bei dem ganzen Problem Gröning um eine Massenhysterie handelte. Nicht Massenhysterie war es, was Tausende von Menschen zu Bruno Gröning führte, sondern nach vielen vergeblichen Heilungsversuchen das ernste, strebende Bemühen vieler kritischer, ehrlicher und tüchtiger Menschen aus allen Ständen unseres Volkes um die Erlangung der Kräfte, die zum Bestehen in unserer schweren und in allen Ebenen unseres Lebens disharmonischen Zeit nötig sind, der Kräfte also, die nicht Zerstreuung und Spaltung, sondern Sammlung und Einkehr heißen und die uns die Gesetze wiedererkennen lassen, die unser Verhältnis zum Harmonischen und zum Göttlichen ordnen; und, da der Körper einer konsequenten Geistes- und Willenshaltung folgt, ist mit der Harmonie und der Ordnung im seelischen Bereich auch oft die Ordnung im körperlichen gewonnen.

Es liegt deshalb eine außerordentliche Tragik in der Tatsache begründet, dass in einer Zeit wie der unseren, die ein Meer seelischer und körperlicher Not mit sich gebracht hat, ein Mann vor den Richterstuhl gezerrt wurde, dessen einziges Sinnen und Trachten es war, die Menschen zum sittlichen Denken und Handeln, zum Glauben und seiner konsequenten Verwirklichung zu bewegen und sie dahin zu bringen, dass ihr ganzes religiöses Empfinden wieder aktiviert, die Beziehung zwischen Seele und Körper wieder harmonisiert würde. Die Menschheit scheint, trotz aller Erfolge der Wissenschaft und des hohen Standes der Erkenntnisse um die physischen Dinge dieser Welt, ja vielleicht gerade deshalb, in ihrer Mehrheit keinen Blick zu haben für wirkliche Größe, die oft auch im Bauernkittel oder als Werker mit schwieligen Fäusten erscheint. Und so wie man den Zünftigen aus der Zeit des Paracelsus zum Vorwurf machen muss, dass sie den heute als großen Arzt Gefeierten schmählich verfolgten und peinigten, so muss man auch die Heutigen tadeln, dass sie an einem so besonders begabten Menschen wie Bruno Gröning die für die Mittelmäßigkeit bestimmten Maßstäbe anlegten und mit Unduldsamkeit und Vorurteilen geladen an das Problem Gröning herangingen, anstatt mit offenem Sinn und ehrlichem Herzen die Wirkung dieses Menschen zu erleben. Dabei kann es ja nicht darum gehen, dass man Person und privates Leben solcher Menschen seziert, analysiert, katalogisiert und kritisiert, sondern darum, dass man sich bemüht, sie als Ganzes zu erleben, so wie man auch die Natur oder einen Künstler und sein Werk nur als Ganzes genießen und erleben kann.

Und einem Künstler sind solche Menschen am ehesten zu vergleichen. So wenig man einen großen Künstler in seinem Tun und Lassen in die enge Form bürgerlichen Lebens pressen kann, ohne dass er in seiner Schöpferkraft verkümmert, ebenso wenig konnte man einen Mann wie Gröning mit den Maßstäben bürgerlichen Lebens messen.

Im März 1956 sagte der emeritierte Baseler Professor für Psychotherapie, Dr. H. Meng, auf der Tagung des Bundesverbandes deutscher Ärzte für Naturheilverfahren in Freiburg: „Die Ärzte des Jahres 2000 werden über unsere Stellung zur Wunderheilung lächeln.“ Die moderne Medizin habe in der Erforschung der Wunderheilungen einen Schiffbruch des erstarrten Denkens erlitten. Die Grenzen der schöpferischen Heilkräfte im Menschen selbst seien bis heute noch weitgehend unbekannt. Die Suche nach diesen Kräften magischer, religiöser und psychischer Art, die in der ganzen Welt zu aufsehenerregenden Wunderheilungen geführt hätten, könne für die moderne Medizin in der Zukunft wichtiger sein als der Griff nach dem Operationsmesser und der Arznei. Rund fünfzig solcher Wunderheilungen an organisch schwer oder unheilbar erkrankten Menschen seien bis heute ärztlich beglaubigt, ohne dass man sie medizinisch erklären könne. Goethes „Wahrnehmung der fünf Sinne“ reiche eben heute nicht mehr aus, und die empirische Wissenschaft dürfe Wunderheilungen nicht aus Unkenntnis verneinen. Professor Meng verlangte, dass die Wissenschaft Erforschliches erforschen, Unerforschliches aber bewundern solle. Professor Peter Bailer von der Gießener Frauenklinik appellierte anlässlich eines Kongresses von 200 Frauenärzten in Gießen an seine Kollegen, stärker darauf Rücksicht zu nehmen, dass viele organische Krankheiten bei Frauen seelische Ursachen haben und nicht mit Medikamenten oder operativ zu heilen seien. Das Gespräch mit der Patientin und die Methoden der Psychoanalyse sollten mehr zur Therapie benutzt werden.

Das Thema „Psychosomatik“, d. h. die Forderung nach mehr Beachtung der seelisch-körperlichen Beziehungen, wird immer deutlicher und beherrschender. Man kann heute deshalb sagen, dass die Münchener Urteile gegen Bruno Gröning für Medizin, Justiz und Illustriertenpresse kein Ruhmesmal darstellen.

In der Folge werden also mehr psychotherapeutisch geschulte Mediziner auf die kranke Menschheit losgelassen werden. Aber, so muss man fragen, kann man so etwas lernen oder gehört dazu nicht besondere Begabung, um den in Unordnung geratenen oder zum Erliegen gekommenen Lebensstrom beim kranken Menschen wieder zu aktivieren und in Fluss zu bringen. Und gehört nicht auch auf der Seite des kranken Menschen Aufgeschlossenheit, Vertrauen und Glauben und damit Ausräumung der Widerstände gegen die heilenden Kräfte dazu, um auf diesem Weg zur Heilung zu gelangen? Der als Zeuge im Münchener Prozess anwesende Münchener Professor für Lungenheilkunde war ehrlich genug, zu bekennen, dass er einem Patienten, der kein Vertrauen zu ihm habe, kaum helfen könne. Aber wie viele unserer heutigen Ärzte wären auch zu einem solchen Bekenntnis bereit?

Nun, Bruno Gröning hatte die Gnade, „die göttliche Kraft“, wie er es nannte, im Kranken wieder lebendig werden zu lassen. Aber er sagte weiter: „Vertraue und glaube, es heilt, es hilft die göttliche Kraft. Nicht ich heile, sondern es heilt.“





Quelle:

Archiv Bruno Gröning Stiftung

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