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Wer ist Bruno Gröning?

Georg Gröning, 1957
Abschrift (PDF)


Hinweis
Die Schreibweise wurde an die Richtlinien der aktuellen Rechtschreibung angepasst.


Als Bruder eines Bruno Gröning fühle ich mich verpflichtet, eine kurze Familienbiografie mit einigen Erlebnissen niederzulegen, damit die ganze Angelegenheit „Bruno Gröning“ ein umfassendes Gesamtbild im Großen erhält und in der Öffentlichkeit in einem neuen Licht erscheint.

Hierzu erscheinen mir die Vorstellung der Eltern, desgleichen die Angaben der Familienzugehörigen sowie die häuslichen Atmosphären notwenig.

Als Geburtsort ist Danzig-Oliva, gleichzeitiger Geburtsort der Eltern und Großeltern, zu nennen.

Unser Vater August Gröning war ein rechtschaffener, christlicher und ehrlicher Handwerker, von Beruf Maurerpolier, welcher in seiner Arbeit sich bei sämtlichen Bauunternehmern eines hoch angesehenen und guten Rufes erfreute. Durch stetes Vorwärtsstreben erreichte er die Befähigung, selbstständig Bauten auszuführen, um somit sein Einkommensniveau zu heben und damit seiner Familie eine feste Grundlage zu bieten. 1921/22 baute der Vater ohne fremde Hilfe ein Eigenheim.

Unsere Mutter Margarete Gröning geb. Seidler stammte gleichfalls aus angesehener Handwerkerfamilie und förderte nach ihrer Art den Vater in seinem Beruf zum Wohle seiner Familie.

Wie reich war das Leben der Eltern; es ließ Tropfen um Tropfen in segensreichem Schaffen dazukommen, vergleichbar einem Strom, mächtig und stark, ja überquellend an Schönem und Edlem!

Wie immer, wenn ich auf fremde Menschen blicke, frage ich mich, was war das Herrliche, mithin das Besondere, was die Eltern einte? Was war das Erhabene, was die Eltern ausgezeichnet hat?

Das ewige Jungsein mit der Jugend, ein fröhliches Spiel, Gesang und liebevolles Verständnis für alle Nöte schenkte uns Kindern eine Jugend der steten Geborgenheit und inneren Zufriedenheit sowie größtes Geborgensein im Schutze elterlicher Behütung.

Wir waren sieben Geschwister, davon fünf Brüder und zwei Schwestern. Eine gleich verteilte Führung und Erziehung kam uns zugute, und wenn irreführend in Zeitschriften und Illustrierten darauf hingewiesen wird, dass unser Bruder Bruno Gröning so überaus auffällig am Gängelband geführt sei, so ist diese Behauptung eine Verdrehung der wahren Begebenheiten und entspricht keineswegs den nackten Tatsachen.

Wohl ist zutreffend, dass unser Bruder Bruno sehr zurückgezogen lebte, sich völlig für sich hielt. Er lebte mithin in seiner Einstellung zum Leben völlig für sich allein und war schon in jüngster Kindheit ein Einzelgänger, mithin ein Sonderling in seiner Art. Nur wenn irgendetwas Besonderes vorlag, z. B. ein Geburtstag in der Familie oder heilige Kommunion, dann war Bruno zugegen und auch ganz bei der Sache.

Schon in jüngster Jugend wurde immer das Thema Bruno in den Vordergrund gerückt. Immer wieder schien es als ein besonderes Omen für die Zukunft: „Der kleine Bruno in den Armen der Mutter“.

Schon die Hebamme, Frau Preuß, eine ältere Frau, deren Namen ich nie vergessen werde und die nur in unserer Familie tätig war, äußerte sich zu wiederholten Malen: „Was ist bloß los in eurer Familie.“ Sie schreckte selbst zurück vom Bett der Mutter und sagte nur: „Ich sehe einen Sonnenstrahl, welcher Mutter und Kind mit besonderer Helle überstrahlt.“

Diese Äußerung trat immer ins Gedächtnis zurück, sofern bei Familienfesten, die selbst in unserer Familie zur Tradition geworden waren, sich Gelegenheit dazu bot.

Der Vater selbst wurde schon fast unruhig und ängstlich, und er flüchtete in seiner Unruhe in die Arme des Geistlichen, welcher alljährlich zu gewissen Einweihungen, wie es unsere katholische Kirche im Glauben vorschreibt, in unser Haus kam. Wir nannte diese kirchliche Weihe die Kalende.

Ein weiteres Erlebnis steht mir auch heute noch ganz besonders deutlich vor Augen.

Ich, als der ältere Bruder eines Bruno Gröning, zählte knapp drei Jahre, mein Bruder Bruno ca. ¾ Jahr. Wir wohnten in Danzig-Oliva, am Hasenwinkel. Unsere Wohnung lag in der ersten Etage. Wir lagen gegen 6 Uhr abends schon im Bett, während die beiden älteren Geschwister Maria, 1901 und Karl, 1902 geboren, auf dem Balkon verweilend, nach dem Vater Ausschau hielten und dessen Heimkehr mit großer Ungeduld erwarteten. Den Vater in der Ferne erblickend in freudiger Erregung, verloren beide – Maria und Karl – das Gleichgewicht und stürzten vom Balkon in den Vorgarten, ohne sich einen nennenswerten Schaden zuzufügen. Sie waren einem besonderen Schutzengel unterstellt, der sie beide so gelind fallen ließ, dass sie das eiserne Gartengitter, welches den Vorgarten eingrenzte, nicht berührten, sondern mit besonderem Geschick von dem herannahenden Vater aufgefangen werden konnten. All dieses geschah mit so großer Geschwindigkeit, dass in der Wohnung selbst niemand etwas davon merkte, bis mein Bruder Bruno, welcher zur damaligen Zeit noch nicht sprechen konnte, impulsiv zu schreien begann und beim Erscheinen unserer Mutter nach seiner recht unverständlichen Art auf den Balkon deutete. Die Mutter eilte zu der von dem Bruno angedeuteten Stelle und erkannte das soeben Geschehene. Sie durfte sich davon überzeugen, dass den beiden Kindern Maria und Karl nichts geschehen war, sondern beide wohlbehalten in den Armen des Vaters sich von dem Schrecken erholten.

Dieses war das erste Wirken eine Bruno Gröning, was uns als engsten Familienzugehörigen in seiner Größe erst viel später zum Bewusstsein kam.

Die Schulzeit besuchten wir Kinder alle gleichmäßig, und zwar die katholische Volksschule in Danzig-Oliva. Selbst Bruno war ein guter Durchschnittsschüler.

Zwar tat er bei besonderen Spielen nicht mit, sondern pflegte seinen eigenen Weg zu gehen. Die Mitschüler nahmen ihn so, wie er war, sie hatten sich an seine eigene Art gewöhnt, und man störte ihn nicht in seiner Sonderheit. Seine Lieblinge waren die Tiere, denen er schon in frühester Kindheit besondere Aufmerksamkeit schenkte.

Im Alter von acht Jahren, es war am 29.3.1914, zeigte sich wieder einmal die geistige Erkennung eines Bruno Gröning als Voraussagung, dass ein Krieg in Bälde zu erwarten sei, worauf unser Vater diesen Gedanken leicht abtuend von ihm wies und zwar mit den Worten: „Junge, was weißt du von Krieg!“

Doch unser Bruno hielt an seinem Wissen fest.

Der Bruno wusste mehr als wir, er ließ nicht ab von seiner Voraussagung, er fühlte die Schwere der herannahenden Zeit.

Es war am Sonnabend, 1. August 1914, als wir mit den Eltern von den Großeltern, wo wir den Tag verbracht hatten, nach Hause gingen. Plötzlich auf dem Heimwege, nicht weit von unserer Wohnung, begannen die Glocken zu läuten. Sie kündeten die Mobilmachung für den heraufziehenden 1. Weltkrieg 1914 – 1918 an.

Tiefes Schweigen ringsumher, ein Albdruck für die, die es anging, und wen ging eine Mobilmachung damals nichts an? Das ganze Deutschland stand vor einer Welterschütterung!

Zu Hause angekommen, fand der Vater seinen Gestellungsbefehl vor. Es wurde alles vorbereitet, dieweil der Vater nach Danzig-Neufahrwasser musste. Ein Abschiednehmen mit vielen guten Lehren für uns Kinder, ein Trostwort für die Mutter, die nunmehr mit uns sieben Kindern allein zurückblieb. Noch in letzter Minute trat Bruno zum Vater und gab ihm ein kleines unbeschriebenes Blatt Papier in die Hand und deutete darauf hin, dass er wohl lange fortbleiben müsse, jedoch ihm nichts geschehen würde, nur müsse er den Zettel immer bei sich tragen.

Somit schied der Vater im Schutze dieses kleinen, nach Menschenbeurteilung winzigen Papierfetzens, und wir versuchten auf unsere Art die Mutter zu trösten.

Die Mutter wurde ebenfalls zur Arbeitsleistung in einer Gewehrfabrik herangezogen, und wir blieben in Obhut unserer ältesten Schwester Maria, die nunmehr für unser leibliches Wohl sorgte. 1917 wurde auch Maria zur Arbeitsleistung herangezogen, sodass wir Kinder uns nunmehr fast ganz allein überlassen waren.

1918 kam der Vater unversehrt aus dem Kriege heim, und der Glaube an den von Bruno gereichten Talisman nahm voll und ganz von uns Besitz. Er hatte unter diesem Schutz keinen Schaden an seiner Gesundheit genommen. Eingedenk, dass in Gegenwart ein Bruno Gröning seinen Gläubigen eine Stanniolkugel als Talisman verabreicht, so war zu damaliger Zeit dieser Talisman, dieser geheime Schutz und Schirm in dem Blättchen leeren Papieres zu werten, welches den Vater durch vier Jahre Krieg begleitete.

Später wiederholte sich die Gabe eines nur leeren Blattes Papier an alle Familienmitglieder zu Beginn des 2. Weltkrieges im Jahre 1939. Diese Gabe wurde von uns allen gehütet und gewertet, und es wird zu späterer Zeit noch eingehend hierauf zurückgekommen.

Unsere Mutter erlebte den 2. Weltkrieg mit seiner völligen Zerstörung aller materiellen Güter und Geisteswerte nicht mehr. Das Schicksal meinte es besonders gut mit ihr, denn sie war hochempfindlich und hätte die Folgen des zweiten Blutvergießens sowie die weiteren Geschehnisse wie Vertreibung als Tragik nicht überwunden.

Noch näher auf das persönliche Wirken eines Bruno Gröning eingehend, kann hier mitgeteilt werden, dass er jedem helfend zur Seite stand. Hatte z. B. jemand in der Familie Zahnschmerzen, so trat Bruno zu dem Schmerzbefallenen und betrachtete sich den Zahn, um die Schmerzen zum Stillstand zu bringen und somit seine ersten Kräfte zu erproben.

Nach Beendigung des 1. Weltkrieges im Jahre 1918 verließ mein Bruder Bruno die Schule, um gleichfalls wie wir anderen Brüder mit dem Vater auf dessen Bauten zu arbeiten. Er begann sein Tagewerk mit der Zimmermannslehre, die jedoch keinen Abschluss als Geselle fand, dieweil ihm die berufliche Ausrichtung in seinem derzeitigen Betätigungsfeld nicht ausreichend erschien und er sich in seinem Wirken einer gewissen Enge gegenübersah. Aus diesem Grund allein sah er sich genötigt, des Öfteren seinen Arbeitsplatz zu wechseln, weil ihm sein Schaffen in Fabriken und ähnlichen Großbetrieben sowie als derzeitiger Siedlungsverwalter aussichtsreicher erschien, dieweil er hier für sein Wirkungsfeld weit mehr Möglichkeiten erblickte, die einzelnen Menschen näher kennenzulernen.

Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges im Jahre 1939 wurde auch Bruno, genau wie wir anderen Brüder, Soldat und zog an die Front. Auch ihm war eine gesunde Heimkehr bestimmt.

Wiederum zeigte sich sein Weitblick, als er 1944 auf Urlaub, schon auf eine Flucht für alle Grenzlandbewohner hindeutete. Es dachte zu damaliger Zeit noch niemand an eine Flucht, und der Gedanke schien uns fast unglaublich.

Tatsächlich, 1945 war der Zeitpunkt gekommen, wo wir – eingedenk der Worte unseres Bruders Bruno – unsere Heimat verlassen mussten. Es hatte sich somit seine Voraussagung erfüllt.

Wir mussten den Vater zurücklassen, dieweil er alt und für derartige Strapazen zu hinfällig war. Wir waren uns darüber klar, dass wir den 74-jährigen Vater wohl nicht mehr wiedersehen würden. Doch auch hier erfüllte sich die Andeutung unseres Bruders Bruno: Schon nach ca. fünf Monaten meldete sich der Vater bei einer Tante in Magdeburg, woselbst wir Kinder zum Zeichen des Wiederfindens eine Sammeladresse hinterlegt hatten. Dem Vater war es vergönnt, im Jahre 1946 wieder über Magdeburg-Bahrendorf zu seinen Kindern zu stoßen. Es war ein freudiges Erlebnis, dessen Wert wir Kinder als ein besonderes Geschenk erachteten.

Im Frühjahr 1947 erhielten wir auch die erste Mitteilung von unserem Bruder Bruno. Er lebte zur damaligen Zeit im Siegerland/Westf.

Nunmehr hielt es den Einzelgänger nicht mehr fern, und er eilte gen Flensburg, von wo er uns nach Haiger-Seelbach im Siegerland, seinem neuen Wohnsitz, holte.

Unser Bruder Bruno hatte sich schon in Danzig-Oliva mit einer evangelischen Frau verheiratet, die sich aber als seine Frau nicht zu unserem Glauben (Katholizismus) bekennen wollte, sondern abseits stand. Sie lebte auch im Siegerland von ihrem Ehepartner getrennt und versuchte, nach längerem Fernsein von Dillenburg aus mit Bruno wieder Verbindung aufzunehmen, was aber durch die verschiedenartige Religionsauffassung völlig unmöglich war, da sie nicht nur den Glauben des Katholizismus ablehnte, sondern auch sein Wirken und Handeln als ein völliges Nichts betrachtete. Sie erkannte demzufolge den eigenen Mann nicht, weder in der Religionslehre, noch in seinem Schaffen und Wirken. Somit war eine Trennung dieser beiden Menschen, die seinerzeit bei Vereinigung auf das Größte und Beste gehofft hatten, unbedingt notwenig. Es erfolgte die Trennung, und unser Bruder Bruno ging unbeirrt seinen Weg, fernab vom Weltgetriebe als Sonderling, der er schon in seiner Kindheit gewesen. Kinder aus dieser Ehe leben nicht mehr.

Im Jahre 1950 stieß unser Bruno auf einen ihm gleich gestimmten Menschen, auf eine Frau, die ihn verstand und ihn förderte, wo sie nur konnte, die den gleichen Glauben hatte wie er und dies mit ihm teilte bis zum heutigen Tage.

Seit zwei Jahren, also seit 1955, ist Bruno Gröning nunmehr in zweiter Ehe verheiratet. Die Ehe wurde nach kirchlicher Sitte getraut und das Paar im katholischen Glauben eingesegnet. Beide genießen das Ansehen der katholischen Kirche, was für Menschen seiner Art eine unbedingte Voraussetzung ist, sofern beide danach leben und ihr Handeln nach den kirchlichen Geboten geschieht. Kinder sind bisher aus dieser Ehe nicht hervorgegangen.

Quelle:
Archiv Bruno Gröning Stiftung

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