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Wunderdoktor Gröning

André Sonnet, 1960
Abschrift (PDF)



"In einer fernen Zukunft, wenn der Ärztestand an Weisheit zugenommen hat bis zu jenem Grad von Bescheidenheit, der es ihm erlaubt, auch von Laien zu lernen – werden "Wunderheilungen", von Ärzten ausgeführt, seinen Nimbus beträchtlich erhöhen."

Paul de Kruif (geb. 1890)



Am 25.[1][sic!] Januar 1959 starb in einer Klinik in Paris ein Mann an Krebs, der über ein Jahrzehnt hinweg die Öffentlichkeit fast der ganzen Welt durch seine Wunderheilungen beschäftigt hatte. Es war Bruno Gröning. Er wusste schon zwei bis drei Jahre vor seinem Tode von seinem Leiden. Aber nach seinen eigenen Worten, die er zu dem Chirurgen sprach, unternahm er nichts gegen diese mörderische Krankheit, weil er sein "Schicksal voll und ganz auf sich nehmen wollte".

Selten gilt das Bismarcksche Wort mehr, dass eine nicht umstrittene Persönlichkeit auch keine sei, als für das Phänomen Gröning. Vielleicht illustriert diese Erscheinung besonders gut, dass formale Medizin kaum der geeignete Boden ist, auf dem die echte Heilpersönlichkeit gedeihen kann, denn gerade für sie ist die Kritik und der Gegensatz zu der herrschenden Richtung der Medizin das ihr besonders zuträgliche Klima.

Bruno Gröning war – unabhängig von seiner unbezweifelbaren Heilbegabung – ein Phänomen der Massenbeeinflussung. Er versprach Hunderttausenden Heilung, und Hunderttausende glaubten daran. Selbst seriöse Mediziner haben ihm das Kompliment gemacht: "Er ist etwas, was viele von uns Ärzten leider verlernt haben zu sein: ein Heiler!" Es gibt eine Reihe von Gutachten, in denen er das Zeugnis eines nichtärztlichen Seelenarztes mit besonderen Fähigkeiten ausgestellt erhält, und es gibt andere Gutachten, in denen er schlankweg als Scharlatan bezeichnet wird. Aber alle Urteile über ihn haben das Eine gemeinsam, dass Gröning, um wirken zu können, auf eine besondere Atmosphäre angewiesen war. Seine Anhänger nannten diese besondere Atmosphäre Fluidum oder Suggestion, seine Gegner sprachen kurzweg von Massenhysterie.

Die ersten Sensationsnachrichten über seine Tätigkeit ergaben zunächst ein sehr verwirrendes Bild. Und selbst heute ist das Phänomen Gröning noch keineswegs geklärt. Auch die Gutachten, die von Professor Dr. med. Fischer, Psychologe aus Marburg, und Dr. med. Rolf Germer, Diplom-Physiker und Psychologe, ebenfalls aus Marburg und Dr. med. Wüst, Assistenzarzt an der Heidelberger Klinik von Professor von Weizsäcker, in der Wochenschrift "Revue" veröffentlicht wurden, sind keineswegs geeignet, zur Klärung beizutragen. Man könnte sie eher als voreingenommen und einseitig bezeichnen, weil sie mehr ein Versuch sind, Grönings Heilerfolge abzuschwächen. Diese aber auf äußere und innere Suggestion zurückzuführen und seine Leistungen im Wesentlichen darin zu sehen, dass er die Kranken nur vorübergehend aus der Krankheit herausgerissen habe, überhaupt nur imstande gewesen sei, sogenannte Funktionsstörungen psychogener Art zu heilen, ist schon deshalb nicht ganz zutreffend, als tatsächlich eine Reihe von Fällen vorliegen, in denen er organische Leiden geheilt hat.

Wie wir heute aus der Psychosomatik wissen, ist Krankheit nicht nur ein körperliches Geschehen, sondern zieht unweigerlich auch den Geist des Kranken in Mitleidenschaft. Umgekehrt können seelische Störungen auch zu körperlichen Veränderungen führen, die dann sogar oft den Charakter von organischen Krankheiten annehmen. Der verstorbene Vertreter der Psychosomatik, Professor Viktor von Weizsäcker (1886 – 1957), hat sogar behauptet, rund siebzig Prozent aller organischen Krankheiten seien auf seelische Ursachen zurückzuführen.

Bei den erfolgreichen Heilungen Grönings ist daher seitens der Ärzte stets das Wort "psychogen", das heißt "seelisch entstanden", verwandt worden. Bisher war es aber der Medizin noch nicht möglich, eine exakt zu bestimmende Grenze zwischen seelischer und organischer Krankheit zu ziehen. Die Bezeichnung "psychogen" ist deshalb genauso wie der Begriff Suggestion nicht ausreichend, viele Heilungserfolge Grönings zu deuten. Auch die Behauptung von Dr. med. F. Dietze in einem Nekrolog auf Gröning, dass bei vielen Kranken, die angeblich durch ihn geheilt worden seien, die alten Leiden wieder zurückgekehrt seien und zwar sogar heftiger als zuvor, muss als eine ungerechtfertigte Übertreibung bezeichnet werden. Es gibt eine ganze Reihe von Gröning Geheilter, die es auch nach Jahren noch geblieben sind und wegen ihrer früheren Leiden bis heute keinen Arzt mehr aufzusuchen brauchten.

Man muss schon gerechter Weise zugeben, dass Gröning sehr viel Erfolge hatte, wo Ärzte ihre Ohnmacht eingestehen mussten. Aber er hatte auch Misserfolge, besonders in der späteren Zeit, als geschäftstüchtige Manager sich seiner bemächtigten und den mit einem peinlichen Beigeschmack behafteten Gröning-Rummel inszenierten.

Bruno Gröning wurde 1906 in Danzig-Oliva als Sohn eines Maurerpoliers namens Grönkowski geboren. Aus seiner Jugend wird manches Geheimnisvolle erzählt: Er sei bereits als Kind eigenbrötlerisch gewesen, habe immer viel gegrübelt und später auch gemeint, dass er hellsehen könne. Schon sehr früh hatte er ein besonders enges Verhältnis zu den Tieren; so soll er seine ersten Heilversuche auch an ihnen gemacht haben, nachdem er seine Heilkraft zuerst an einem lahmen Hund bemerkt hatte. Ehemalige Olivaer, die damals krank waren, berichteten, dass sie sich wohler fühlten, wenn der junge Bruno Gröning neben ihrem Bette stand. Er verließ vorzeitig die Schule und begann ein wechselvolles Leben: als kaufmännischer Lehrling, Zimmermann, Vorarbeiter, Kellner, Filmvorführer, als Konditor und Telegrafenbote bei der Post. So wechselte er von Beruf zu Beruf, ohne sich an einen zu binden. Nach glaubwürdigen Berichten sollen seine ersten Heilerfolge bei Lähmungen schon vor dem Zweiten Weltkrieg erfolgt sein.

Sein eigentliches Leben begann aber erst, als er 43 Jahre alt war und in Herford in Westfalen seinen Ruf als "Wunderheiler" begründete. Das war im Jahre 1949. Im März dieses Jahres kam er nach Herford als völlig unbekannter Mensch aus Danzig. Eine seiner ersten Heilungen dort geschah an dem Sohn des Maschineningenieurs Helmut Hülsmann, der damals neun Jahre alt[2] war und an progressiver Muskelatrophie litt. Dieter Hülsmann hatte in vielen Krankenhäusern gelegen, und sehr viele Ärzte hatten ihn behandelt. Zuletzt befand er sich ein Jahr lang in Bethel. Dann sagten die Ärzte: "Dem Jungen kann niemand mehr helfen!"

Gröning brachte es jedoch fertig, dass der Junge, wenn auch schwankend, wieder zu gehen vermochte. Diese Heilung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Herford und im ganzen Ruhrgebiet. Bereits am 5. April, nur wenige Wochen nach der Ankunft Grönings, strömten fast fünftausend Menschen in die Stadt: Lahme, Blinde, Nervenkranke, Gallenleidende, Tuberkulöse, Krebskranke usw.

Der Fall eines 12-jährigen asthmakranken Jungen, der zehn- bis zwölfmal jede Nacht Anfälle hatte und nicht mehr ohne Inhalator und Aludrin-Tabletten leben konnte, jedoch plötzlich vor dem Hause, in dem sich Gröning befand, geheilt wurde, ohne von ihm behandelt worden zu sein, wurde zu einer Sensation. Auch die ärztliche Kommission, der man den Jungen vorführte, konnte nicht anders, als die Tatsache zu notieren, dass der Junge seitdem nie mehr einen Anfall gehabt hatte.

Ein Experiment, das Professor Dr. Fischer während der Abwesenheit Grönings in dessen Wohnung machte, betraf ein Mädchen namens Anni Schwedler, 21 Jahre und aus Duisburg stammend. Bei einem Luftangriff war sie verschüttet und ihr Körper in eine Maueröffnung eingeklemmt worden. Mit großer Mühe gelang es noch, sie herauszuziehen und ihre brennenden Kleider mit Wasser zu löschen. Einige Wochen später aber war sie gelähmt. In all den folgenden Jahren vermochte ihr kein Arzt zu helfen. Professor Fischer setzte sie nun in den Stuhl von Gröning, hielt ihr eine Fotografie von ihm vor und sagte plötzlich: "Stehen Sie auf!" Das Mädchen gab sich zwar einen Ruck, fiel jedoch wieder zurück, darauf erhob sie sich nochmals und auf den Befehl: "Gehen Sie!" lief sie schwankend bis zum Sessel, in dem ihre Mutter saß. Nach fünf Jahren zum ersten Mal! Professor Fischer wiederholte den Versuch, und wieder war sie fähig zu gehen. Am Ende der Versuchsreihe, die ein paar Stunden dauerte, verließ Anni Schwedler das Haus, in das man sie auf einer Bahre hineingetragen hatte, auf eigenen Füßen.

Natürlich wurde die Lähmung des Mädchens von den Ärzten auf seelische Ursachen zurückgeführt, wobei man allerdings die Frage stellen könnte, warum es ihnen bis dahin nicht möglich gewesen war, sie als psychogene Erkrankung zu diagnostizieren und dem Mädchen zu helfen.

Der Zustrom von Kranken nach Herford nahm nun beängstigende Formen an, und die Stadtverwaltung entschloss sich, Gröning die weitere Heiltätigkeit zu untersagen. So verließ er Herford am 25. Juni 1949 und ging nach Hamburg zu dem Großkaufmann Westphal, der jahrelang an Asthma gelitten hatte und durch Gröning davon geheilt wurde.

Aber nach vierzehn Tagen verschwand Gröning aus Hamburg. Er war zu einem Mann namens Kargesmeyer nach Bad Oeynhausen gefahren, der seit seiner Kindheit an schmerzenden Gesichtsnerven litt, einer Krankheit, die medizinisch als Trigeminus-Neuralgie bezeichnet wird. Weder Medikamente noch andere ärztliche Verfahren hatten das Übel zu beseitigen vermocht. Auch das Radikalmittel einer Operation half nicht. Gröning behandelte ihn, und die Schmerzen ließen nach. Als Professor Fischer Kargesmeyer nach vier Wochen besuchte, war er immer noch schmerzfrei. Auf jeden Fall liegt hier eine erstaunliche Heilung vor.

Nun wurde Gröning allerdings zum Gehetzten, denn die Heilverbote der Behörden ließen ihn nirgends zur Ruhe kommen. Auf Veranlassung von Professor Fischer erklärte sich Gröning bereit, sein Können in einer Heidelberger Klinik unter Beweis zu stellen. Dort heilte er einen Kranken namens Strobel, der seit 1944 an der Bechterewschen Krankheit, einer Wirbelsäulen-Versteifung, litt. Dieser Mann, der sich nur unter denkbar größten Anstrengungen eine Treppe hinauf- und herunterschleppen konnte, war plötzlich nach der Behandlung wieder imstande, sie hinauf- und herunterzuspringen.

Nun fuhr Gröning nach München, sprach im Bayrischen Rundfunk und heilte vor dem Funkhaus mehrere Menschen, unter anderem einen Jungen aus Ramsau, der eine Gelenkentzündung hatte und kaum gehen konnte und eine Frau, die an einer fiebrigen Nierenentzündung litt.

Professor Dr. med. Fischer schrieb unterdessen von einem "Gröning-Trick", der darin bestehen sollte, dass er dem Patienten seinen Willen aufzwänge und ihn damit so anrege, dass in ihm wieder Willenskräfte erwachten, die dann dem Willen Grönings entgegenkämen. Weil Gröning den Kranken befehle, sich auf bestimmte Körperempfindungen zu konzentrieren, die ihnen von ihm suggeriert würden – und nicht mehr an ihre Krankheit zu denken –, werde der Blutkreislauf angeregt und damit die unbewusste Heilkraft mobilisiert.

Fischer schrieb: "Der Gröning-Trick besteht darin, dass zwei an sich bekannte Methoden (Innen- und Außensuggestion) zum ersten Mal nicht jede für sich allein, sondern beide, zu einem Behandlungsverfahren zusammengefasst, angewendet werden."

Wahrlich, das Ei des Columbus! Nur ist hier ein Aber: Sind den Herren Professor Fischer, Dr. Germer und Dr. Wüst, nachdem sie diesen Gröning-Trick erkannt hatten, nun dieselben Heilungen gelungen wie Gröning? Die Antwort werden sie wohl schuldig bleiben müssen, weil die Tatsachen ergeben, dass das Phänomen Gröning durchaus nicht so einfach erklärt werden kann, wie es durch Herrn Professor Dr. med. Fischer geschah.

Eine unglaubwürdig erscheinende Geschichte verdeutlicht das am besten. Sie wird von zuverlässigen Zeugen bestätigt und bleibt unerklärlich, soviel man auch daran herumzurätseln versucht hat. Die Krankenschwester Maria, die in einer Wiener Unfallstation arbeitete, fuhr im September 1954 nach Rosenheim, dem neuen Quartier von Gröning. Sie war vor allem deshalb dorthin gefahren, weil sie für eine Freundin, die an chronischen Darmgeschwüren litt und allein durch ständige Bluttransfusionen aufrechterhalten wurde, etwas tun wollte. Gröning versprach ihr, nicht nur der Freundin zu helfen, sondern er bat sie auch, wenn sie leidende Menschen behandele, ihn im Geiste anzurufen. Als Schwester Maria nach Wien zurückkehrte, traf sie ihre Freundin wesentlich gebessert an. Und wenn ein bedauernswerter Kranker in die Behandlung kam, betete sie und rief – wie Gröning es ihr gesagt hatte – ihn im Geiste an. Schwester Maria war selbst fassungslos, als eine Frau, die an perniziöser Anämie litt, eine Krankheit, die auch heute nur schwer zu bekämpfen ist, von ihr auf diese Weise geheilt wurde. Schon acht Tage später konnte ihr die Patientin glückstrahlend berichten, ohne dass sie von dem Vorgang etwas wusste, dass ihr Blutbild unerwartet wieder normal geworden sei.

Schwester Maria und ihr vorgesetzter Arzt, Dr. B., sind bereit, diesen Fall und die anderen zu beschwören.

Einige Jahre später heilte Gröning Menschen, deren Krankheit keineswegs auf psychogenen Ursachen beruhte. Da ist der Fall der Frau Thomsen aus Osterfeld hinter Husum, der ein Augenarzt riet, da sie am grünen Star litte, sich deshalb lieber in die Behandlung der Universitätsaugenklinik in Kiel zu begeben. Sie fuhr nach Kiel, die Diagnose wurde von den Ärzten bestätigt, und sie musste das Urteil hören: Unheilbar! In ihrer Verzweiflung schrieb sie jetzt an Gröning, der ihr auch sofort antwortete, aber mitteilte, er könne sie erst im Herbst aufsuchen. Immer wieder nahm sie seinen Brief in die Hand und glaubte fest daran, dass er ihr helfen würde. Kurze Zeit darauf merkte sie, dass ihr Sehvermögen wieder zugenommen hatte, und als sie nach einigen Monaten wieder in die Universitätsaugenklinik fuhr, stellten die Ärzte fest, dass ihre Augen wieder gesund waren.

Da ist weiter eine Heilung, die sich im April 1954 ereignete und bei der das Leiden gleichfalls nicht in seiner Ursache auf seelische Störungen zurückgeführt werden kann. Seit siebzig Jahren war der Bauer Friedrich Peper mit einer "Elefantenhaut" behaftet, die unaufhörlich wuchs und die er ständig mit der Schere von seinen Händen abschneiden musste. Bei jeder harten Arbeit begannen sie zu bluten und verursachten ihm dauernde Schmerzen. Gröning vermochte es, was keinem Arzt gelungen war, ihn bei einer Versammlung in Osterfeld von dieser fürchterlichen Krankheit radikal zu heilen.

Ferner sei noch der Fall des Bauern Hans Scheer aus Norby bei Rendsburg erwähnt, der sich als Folge eines Scharlachs eine chronische Gastritis zugezogen hatte. Das Übel verschlimmerte sich derart, dass er kaum noch essen und schlafen konnte. 1955 wurde er in ein Krankenhaus eingewiesen, und bei der Untersuchung fiel das verhängnisvolle Wort: Unheilbar! Auch dieses Leiden hat Gröning geheilt.

Der Landwirt Thies Paasch aus Norby behauptet ebenfalls, von Gröning geheilt worden zu sein. Paasch litt seit dem Jahre 1944 an furchtbaren Nerven- und Rheumaschmerzen, die jeder ärztlichen Behandlung trotzten. 1954 stellte ein Arzt noch einen Bandscheibenschaden und eine Ischiasnerventzündung fest, deren Folge dann eine Rückgratverkrümmung war. Selbst Spritzen vermochten seine Schmerzen nur zu lindern. Bei einer Versammlung, in der Gröning sprach, spürte Paasch plötzlich, wie sie nachließen, und zwei Stunden später konnte er ohne Stock den Saal verlassen. Auch nach drei Jahren hatte sich sein Leiden nicht wieder eingestellt.

Derartige Heilungen von organischen Krankheiten gibt es zu Hunderten, ja zu Tausenden, die von dankbaren Patienten berichtet werden. Sie alle, ob arm oder reich, ob Bauern, Arbeiter oder Intellektuelle, bestätigen, dass Gröning sie von jahrelangen Krankheiten und Schmerzen befreit hat. Selbst Ärzte haben zugeben müssen, dass manche Menschen, die von ihnen selbst bereits aufgegeben worden waren, bei Gröning Hilfe fanden.

Am 1. April[3] 1957 verurteilte das Landgericht München Gröning wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde zu zweitausend Mark Geldstrafe. Von der Anklage der fahrlässigen Tötung der 18-jährigen lungenkranken Ruth Kuhfuß wurde er freigesprochen. In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende: "Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Grönings Tun und Ruth Kuhfuß' Tod kann nicht als erwiesen gelten. Es ist nicht nachzuweisen, dass Gröning das Mädchen der ärztlichen Kontrolle entzogen hat. Emil Kuhfuß war es, der sein Kind der Sanatoriumsbehandlung nicht zugeführt hat. Keiner der Sachverständigen konnte angeben, ob Ruth Kuhfuß überhaupt geheilt werden konnte."

Die Gerechtigkeit gebietet folgenden Nachsatz: Würde bei jeder Fehldiagnose oder falschen Behandlung mit tödlichem Ausgang ein gleiches Verfahren, wie es bei Gröning oder bei dem Lehm-Pastor Felke[4], der 1909 in Bielefeld vor Gericht gezogen wurde, der Fall war, auch gegenüber jedem Arzt angewendet, dann würden wohl sehr viele Medizinstudenten das Studium an den Nagel hängen.

Niemand kann sich auf dieser Welt für unfehlbar halten, und unser ganzes Wissen ist ja nur auf Hypothesen aufgebaut und folglich unzulänglich.

Nach dem Münchener Urteil hat Gröning dann Deutschland verlassen und ging nach Frankreich, der Heimat seiner zweiten Frau, wo er im Januar 1959 dem Dämon Krebs erlag.

Wenn Gröning von Ärzten der Vorwurf gemacht wurde, er habe infolge seiner fehlenden medizinischen Vorbildung gar nicht unterscheiden können, was eine seelisch bedingte Störung oder eine echte organische Erkrankung sei, dann ist wohl die Gegenfrage berechtigt, wie viel Ärzte dazu überhaupt in der Lage sind.

Ein weiterer Vorwurf, den man ihm machte, betraf das sogenannte Kontaktproblem. Er hätte als Seelenarzt die "seelische Bindung und Lösung" der persönlichen Beziehung zum Patienten nicht so sicher beherrscht, dass jener am Schluss der Behandlung wieder genügend selbstständig geworden sei. Oft wäre der Behandelte in einem ungünstigen Schwebezustand oder gar in einer Hörigkeit Gröning gegenüber geblieben.

Aber das Problem der "Übertragung" ist eine bekannte Erscheinung aus der Psychoanalyse und findet sich gewöhnlich nur bei einer Minderheit von Patienten, die als seelische Schwächlinge zumeist an einem unbewussten "Vater- oder Mutterkomplex" leiden.

Wenn dieses Kapitel vielleicht den Eindruck erweckt, als sollte hier eine Lanze für den verstorbenen Gröning gebrochen werden, so muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden, dass es nicht um die Person geht. Meine Bemühungen waren – kritisch und unbestechlich – nur von dem ehrlichen Streben geleitet, zu versuchen, die Wahrheit über seine Heilungen zu ergründen, denn alle leidenden Menschen haben einen Anspruch auf diese Wahrheit.

Dass Gröning eine echte Naturheilbegabung war, können ihm nur verblendete Gegner abstreiten. Was die öffentliche Meinung verwirrt hat und verwirren musste, waren besonders der missglückte Gröning-Film und die Reklame, die skrupellose Manager aufzogen. Es ist zu bedauern, dass Gröning zu passiv das Treiben dieser Männer in seinem Umkreis geduldet hat. Der Versuch, den wirklichen Gröning zu ermitteln, unbeeinflusst von der Schar seiner Anhänger, die ihn als "Messias" feierten und seiner ebenso blinden Gegner, die ihn als Scharlatan bezeichneten, war die Aufgabe dieser Skizze.

Meine persönliche Meinung deckt sich jedoch völlig mit der nachstehend angeführten eines anderen "Wunderheilers", des Dr. Kurt Trampler, der bereits im Dezember 1952 schrieb: "Als im Jahre 1949 Bruno Gröning in Herford und auf dem Traberhof bei Rosenheim ,Wunderheilungen? an Kranken bewirkte, denen auch die höchstentwickelte ärztliche Kunst nicht hatte helfen können, sind diese Vorgänge bedauerlicherweise Gegenstand einer Wunderpsychose und einer Sensationsberichterstattung geworden, anstatt der ernsten Wissenschaft Ansporn zu sein, das Wesen dieser unerforschten Urkräfte ins Licht des Bewusstseins zu heben. Die Wissenschaft hat damals – von rühmlichen Ausnahmen abgesehen – den zum Fehlschlag verurteilten Versuch unternommen, die seltsamen Geschehnisse in ihr vorhandenes Lehrgebäude einzuzwängen und als falsch zu bezeichnen, was sich darin nicht unterbringen ließ. Neue Erkenntnisse sind auf diesem Gebiet indessen nur dann zu gewinnen, wenn man das Tatsächliche erkennt und sichert – selbst wenn es noch so unvereinbar mit dem bisherigen Weltbild erscheint und wenn man dann auf Grund des erarbeiteten Materials versucht, zu einer Deutung oder Erklärung vorzudringen, bereit aber auch, das Unerforschliche ruhig zu verehren."



Quelle:
SONNET, André: Wunderheiler und Heilwunder. Vom Geheimnis in uns. Heidenheim, : Erich Hoffmann Verlag, 21960, S. 149-159.
 


[1] Bruno Gröning starb am 26. Januar 1959.
 

[2] Zum Zeitpunkt seiner Heilung war Dieter Hülsmann acht Jahre alt.
 

[3] Das besagte Urteil stammt vom 1. August 1957.
 

[4] Der evangelische Pastor Emanuel Felke (1856 – 1926) setzte als Naturheilkundler Bäder mit Lehmschlamm zur Behandlung von Erkrankungen ein.

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